„Es ist klar, dass nicht klar ist, was dabei herauskommt.“

„Viel besser als ein Museumsbesuch. Endlich kommt man direkt mit der Kunst in Kontakt!“

„Arbeit gegen Kunst“

„Nein, es war keine Kunst und ich würde es auch nicht weiterempfehlen“

„kann ein GoArtist Besuch scheitern?“ 

„Das Original kommt zu Dir nach Hause und wird individualisiert.“

„Erwartungen hatte ich eigentlich keine. Es war eher wie ein Blind Date mit einer Kunst-Person, ich war ziemlich aufgeregt und habe mir alles vorstellen können von ‚tierisch langweilen‘ bis ‚Wir schreiben eine Oper‘ “

„Weltweit einmalig!“

„GoArtist ist der weltweit erste und bis jetzt einzige Kunst-Lieferservice, der nicht nur Lieferservice ist, sondern noch besser.“



GoArtist 

Provozierte Begegnungen und die Befragung von Kunst 

Auf die Frage „Was passiert im Projekt GoArtist?“ gibt es mindestens drei verschiedene Antworten: Erstens, wird eine Bewegung angestoßen (für die wir unseren Standpunkt ein stückweit verlassen müssen), zweitens wird eine Begegnung provoziert und drittens findet eine direkte Befragung dessen statt, was Kunst sein kann. GoArtist interveniert inmitten dieser Lücke, die zwischen den verschiedenen Vorstellungen von Kunst klafft. Es geht um eine entgegenkommende Bewegung, die auf eine Entfernung und einen Ort verweist; um die Begegnung von Individuen, Weltverständnissen und Kommunikationsmitteln; und letztlich um die Befragung der Grenzen und Möglichkeiten von Kunst. 

Bewegung: Über Kunst, die entgegenkommt        
Wird die Kunstgeschichte unter dem Gesichtspunkt eines Lieferservices betrachtet, gerät in erster Linie eine Bewegungsrichtung in den Vordergrund. Müssen die Betrachtenden die Kunst aufsuchen oder kommt diese den Betrachtenden entgegen? Letzteres wurde mit jeglichen Formen von Reproduktionstechniken relevant: Druckgrafik, Fotografie, Kino und nicht zuletzt digitale Bilddateien. Als sich Walter Benjamin mit dem Einfluss der mechanischen Reproduktionstechniken auf die Kunst auseinandersetzte, hatte er zur Abgrenzung für die stationäre und singuläre Kunst den Begriff der Aura herangezogen.[1] Aura meint in diesem Sinne, dass ein Kunstwerk an einen bestimmten Ort und einen bestimmten Zeitraum der Präsenz gebunden ist. Es geht also um die Einmaligkeit eines Originals und dass wir uns, um dieses zu betrachten, an dessen Standort begeben müssen. Mithilfe der technischen Reproduzierbarkeit kommt ein Bild den Betrachtenden insofern entgegen, als dass dieses an verschiedenen Orten gleichzeitig zu sehen ist – die Originalität konkurriert mit der Verfügbarkeit eines Werkes. Francesco Casetti aktualisiert diese Gedanken für zeitgenössischere Rezeptionsformen wie das Heimkino, Smartphonescreens oder Screens im öffentlichen Raum. Mit diesen müssen die Betrachtenden nicht einmal mehr einen besonderen Showroom aufsuchen, sondern werden an Ort und Stelle von eben jenen Bildschirmen angegangen.[2] Kunst für den Laptop heißt auch Kunst für das Wohnzimmer, Kunst für das Eigenheim, überall und jederzeit. Kunst für alle, die ein solches Endgerät besitzen. Dieses räumliche Entgegenkommen ist entschieden an Techniken der Digitalisierung gebunden und umfasst somit auch die verschiedenen Plattformen der Lieferdienste und Dienstleistungen. 

Man könnte zusammenfassen: Je mobiler die Bilder werden, desto weniger müssen sich die Betrachtenden bewegen. An dieser Stelle überschneiden sich zweierlei Aspekte, die für GoArtist entscheidend sind. Einmal die Richtung und einmal das Publikum betreffend. Als Benjamin über die Reproduktionstechniken schrieb, hatte er im Besonderen einen gefüllten Kinosaal vor Augen. Das Massenpublikum stand somit der kontemplativen 1:1-Konfrontation mit einem auratischen Original entgegen. Das Homekino wie auch die mobilen und smarten Screens sind dagegen allein durch ihr Format für nur wenige Betrachtende vorgesehen. Mit den kleinen Screens ist also bereits Thema, wie sich derzeit Verfügbarkeit und Individualisierung von Kunst aneinander annähern. 

Mit GoArtist wird ebenfalls eine Richtung angestoßen – die Kunst kommt entgegen – zu Dir nach Hause oder an jeden anderen Ort, an dem Du Dich gerade befindest. Der ökonomischen wie politischen Kategorie der Masse setzt GoArtist die individuelle, einmalige Erfahrung entgegen. Es geht dann darum, das Entgegenkommende mit dem Original kurzzuschließen. Während herkömmliche Lieferdienste auf Standardisierung und das Kino auf technische Reproduzierbarkeit gründen, beruht GoArtist auf dem einmaligen Zusammentreffen einer persönlichen Konstellation. 

Begegnung: Kunst und Rendezvous        
Neben der entgegenkommenden Richtung gibt es folglich eine Individualisierung der Kunsterfahrung. Gerade weil GoArtist zu Dir kommt, findet ein singuläres Zusammentreffen statt. Zwei Personen, die aufeinandertreffen und die Individualisierung durch diese Begegnung anstoßen. Der Begriff der Begegnung taucht innerhalb der Kunst immer wieder als Ursache für die Entstehung eines Werkes auf. Eine Begegnung lässt sich von gewöhnlichen Dates, Verabredungen, get-togethers und freundschaftlichen Ausflügen dadurch abgrenzen, dass eine Begegnung erstens einem gewissen Zufall unterliegt und zweitens davon bestimmt wird, dass die sich begegnenden Parteien nach der Begegnung verändert daraus hervorgehen.[3] Wir wissen also erst nach der Begegnung, ob eine Begegnung stattgefunden hat.        
Der Künstler Marcel Duchamp hat am Anfang des letzten Jahrhunderts das, was Kunst ist, auf eine bloße Begegnung beschränkt. Er sah einen gewöhnlichen Gegenstand und wenn dieses Aufeinandertreffen von Blick und Gegenstand sich als Begegnung zeigte, wurde dieser Gegenstand nur aufgrund der Begegnung zur Kunst erhoben. Das heißt, nicht nur Kunst für alle, sondern auch alles kann Kunst sein. Doch Duchamp ging nicht beliebig vor und benannte nicht alle möglichen Dinge als Kunst. Es ging ihm mehr um eine präzise Auswahl und diese Art des Wählens nannte er in seinen Notizen „une sorte de rendez-vous“.[4] Darin trifft eben jenes zufällige Moment der Begegnung mit dem provozierten Arrangement zusammen, das jedoch keinerlei Garantie für ein Gelingen gibt. In GoArtist gibt es keine Garantie, es wird lediglich eine Begegnung zwischen zwei Personen provoziert, die sich bspw. in ihrer Auffassung, was sie als Kunst benennen, unterscheiden. Gleichzeitig bietet diese Begegnung das Potenzial, die Definition von Kunst für beide Seiten zu verändern. Daher bildet ein GoArtist-Besuch eine Form der provozierten Begegnung.        
Für GoArtist ist dabei essenziell, dass die Begegnung auf Augenhöhe und jenseits vorgefertigter Kunstgattungen stattfindet. John Dewey bündelte dafür den Begriff der Kunst mit demjenigen der Erfahrung.[5] Dadurch war es ihm möglich, sowohl die verschiedensten Art und Weisen von Kunst unter einen Begriff zu bringen, wie Malerei, Performance und Konzeptkunst als auch die Hierarchie zwischen Künstler:innen und Betrachtenden einzudämmen. Auf der einen Seite „produzieren“ Künstler:innen laut Dewey eine Erfahrung, (die ästhetisch ist, weil sie einen Anfang und ein Ende hat) und auf der anderen Seite reproduzieren die Betrachtenden anschließend diese Erfahrung von Kunst. 
GoArtist setzt direkt auf die Ko-Produktion einer Kunsterfahrung, die in einem handgreiflichen Objekt münden kann, aber auch alle anderen Formate der Produktion oder Aktivität miteinschließt. GoArtist heißt, gemeinsam eine „Erfahrung zu machen“, wodurch die Prozesse, Überlegungen, Bewegungen, das Gesagte und Gehörte, das Gesehene, Gefühlte, Gemachte wie auch die Kommunikation bei der Entstehung von Kunst in das Zentrum rücken. 

Befragung: Was kann Kunst sein?        

Wenn die bloße Begegnung bereits den Anstoß für Kunst geben kann, dann wird genau dieser Impuls mit GoArtist provoziert. Die Begegnung verschiedener Kunstvorstellungen fordert jedoch deren Befragung heraus. Wenn Kunst zum Beispiel als aristokratische Kategorie verstanden wird, wie dies einmal der französische Philosoph Alain Badiou dargelegt hatte, dann kann dieser gar nicht von allen hinterfragt werden. „Das ist kein Urteil, nur die Feststellung, dass ‚Kunst‘ die Idee der Schöpfung umfasst und die Mittel voraussetzt, die Schöpfung zu verstehen. Eine Nähe zur jeweiligen Kunstgeschichte voraussetzt, also eine besondere Ausbildung.“[6] Man muss Badiou in seiner Definition, die nur eine unter vielen darstellt, gar nicht folgen. Um einiges interessanter ist, dass Badiou anschließend in fünf Punkten zu umreißen versucht, was eine „Massenkunst“ ausmacht. Diese fünf Argumente sollen zum Abschluss als eine Art Skizze für das GoArtist-Projekt dienen:

1. Massenkunst zeichnet sich dadurch aus, dass die Werke „ab dem Moment ihrer Schöpfung geliebt werden“ und nicht, wie manche anderen Meisterwerke, erst Jahrhunderte danach zu solchen erhoben werden. Bei GoArtist ist der Moment der Schöpfung Teil der Begegnung und die Verhandlung über das Gefallen/Nicht-Gefallen ein essenzieller Teil des Prozesses zwischen den Teilnehmenden. 

2. Weiterhin ist Massenkunst eine ontologische Kunst. Das heißt, dass sich die Betrachtenden mit dem „Kunstwerk“ identifizieren können. In GoArtist ist es das vorherrschende Ziel eine Kunstvorstellung oder eine Praxis zu finden, in der sich beide beteiligten Parteien wiederfinden können. Wobei das, womit wir uns überhaupt identifizieren können, mit jedem GoArtist-Besuch erneut erschlossen werden muss. 

3. Drittens muss Massenkunst die Zeit zeigen und damit eine Nähe zum Leben eingehen. In GoArtist spielt die zusammen verbrachte Zeit, die Zeit zwischen dem Anfang und Ende der Erfahrung, eine entscheidende Rolle. Zwischen diesen Rändern findet die Zeit unter den Vorzeichen der Kunst statt und inmitten des Lebens der sich begegnenden Personen. 

4. Massenkunst ist eine Kunst, die von allen Künsten das übernimmt, was am leichtesten zugänglich ist. Das Projekt GoArtist öffnet sich auf alle Künste, thematisiert die Zugänglichkeit und will diskutieren, was als Kunst alles möglich ist. Damit reißt die Massenkunst laut Badiou die Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst ein. Dies betrifft erneut die Richtung: Während die aristokratische Kunst immer eine Voraussetzung hat, von der aus Kunst erst zugänglich wird, beginnt die Massenkunst dort, wo wir uns gerade befinden. 

5. Letztlich ist die Massenkunst ein Theater der Bürger:innen, eine Bühne des Handelns und damit die Plattform des Lebens. GoArtist möchte Teil dieser Plattform sein, Teil einer Bühne, die alle betreten können, auf der auf Augenhöhe die großen und kleinen Fragen verhandelt werden, ein Theater der Prozesse, Handlungen und Vorgehensweisen und eine Plattform, auf der das passiert, was alle direkt angeht.


[1] Vgl. Walter Benjamin. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936). Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2007.

[2] Vgl. Francesco Casetti: The Lumière Galaxy. Seven Key Words for the Cinema to Come. New York: Columbia University Press 2015.

[3] Vgl. Carolin Meister u. Jean-Luc Nancy: Begegnung. Berlin/Zürich: diaphanes 2021.

[4] Vgl. ebd., S. 16.

[5] Vgl. John Dewey: Kunst als Erfahrung. Aus dem Amerikanischen übers. v. Christa Velten, Gerhard vom Hofe, Dieter Sulzer. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2021.

[6] Alain Badiou: Kino. Gesammelte Schriften zum Film. Aus dem Französischen übers. v. Paul Maercker. Wien: Passagen Verlag 2014, S. 287.